Dr. Martin Krengel ist zehnfacher Buchautor, Lernexperte, Unternehmer und Blogger. Er schreibt auf MartinKrengel.com zu Lifestyle, Reise- und Marketing-Themen und auf Studienstrategie.de über Motivation, Zeitmanagement und cleveres Lernen. Nach seiner Doktorarbeit schrieb er nicht etwa brav 100 Bewerbungen für seinen Traumjob, sondern packte seine Koffer und war weg. Im Gepäck: Abenteuerlust und das feste Ziel, kein Ziel zu haben…
> absolventen.at: Was bewegt einen Doktoranden dazu, die Welt zu erkunden und auszusteigen?
Martin Krengel: Neugier! Und: Vorm Einstieg ins „ernste“ Erwachsenenleben wollte ich dann aber nochmal ausreisen und ausreißen. Ein wenig mehr von der Welt sehen. Ergebnis: Das war eine der besten Entscheidungen meines Lebens! Ich habe so viel gesehen und gelernt, dass ich nun protzig herausposaunen kann: „Reisen ist ein Persönlichkeitsturbo!“ Du lernst so viel über Dich, die Welt und mit Herausforderungen und anderen Denk- und Organisationsweisen umzugehen, dass Du hinterher viel offener, entspannter und flexibler bist – das kommt letzten Endes langfristig auch Deiner Karriere zugute!
> absolventen.at: Du warst unter anderem in China, Thailand und Australien. Wo hat es Dir am besten gefallen?
Martin Krengel: Wo es mir am besten gefallen hat, ist eine der härtesten Fragen, die ich immer gestellt bekomme. Grob gesagt: In der Südsee war es am Schönsten, in Südamerika am Aufregendsten, in der Mongolei am Exotischsten.
> absolventen.at: Du schreibst Ulan Bator (Hauptstadt der Mongolei) ist die wahrscheinlich hässlichste Hauptstadt der Welt. Warum ist sie dennoch so faszinierend?
Martin Krengel: Mich reizen Kontraste. Ich finde es super, an einem Tag in Tahiti am schönsten Strand der Welt zehn Tage ohne Internet einfach nur zu dösen (meine „Digital- Detox-Diät“) und bei der nächsten Gelegenheit mit acht offenen Programmfenstern fünf Projekte gleichzeitig zu bearbeiten. Das sind Gegensätze, die mich lebendig fühlen lassen. Um auf die Frage zurückzukommen: Ulan-Bator ist wirklich nicht schön. Ich habe die Stadt dort bei minus 15 Grad von der rauesten Seite kennengelernt. Aber genau dieser Kontrast zu unserem Leben macht es doch so augenöffnend: Wenn wir hier schon über ein wenig Regen meckern, was sollen die Mongolen sagen, die den ganzen Winter bei unmenschlichen Temperaturen in einem Jurten-Zelt schlafen?
> absolventen.at: Warum ist für uns Europäer ausgerechnet in China der Kulturschock so groß?
Martin Krengel: Ich habe meine Backpacking-Karriere vor 8 Jahren in China begonnen. Oho! Keine gute Idee! Größer können die Kontraste nicht sein als zwischen der europäischen und der chinesischen Kultur. Denken, Handeln, Grundannahmen: Alles steht plötzlich Kopf! Wenn Du zu einem Busbahnhof kommst, auf dem 100 Busse stehen und die alle nur mit Schriftzeichen und nicht mit Nummern betitelt sind, ist das schon eine Herausforderung. Da steht nicht Busnummer 126, sondern „Schongschingschingeling“. Du fragst Dich dann mit drei Brocken Chinesisch durch und bekommst vier verschiedene Antworten auf eine Frage. Danach sitzt Du sechs Stunden zweifelnd in einem Bus und weißt nicht, ob Du in der richtigen Stadt angekommen bist. Auch Taxifahren ist kompliziert. Wenn der Taxifahrer einfach nicht die Adresse findet, die im Reiseführer deutlich abgebildet ist, auch in chinesischen Schriftzeichen…
.. es wird dunkel …
… Du bekommst etwas Panik
… Du verkneifst Dir die Tränen …
… und verstehst plötzlich, wie sich ein echter Kulturschock anfühlt!
> absolventen.at: Ich kann mir vorstellen, dass viele Studierende mit dem Gedanken spielen, eine längere Reise zu planen. Einige machen dann aber wieder einen Rückzieher. Warum ist das so?
Martin Krengel: Im deutschsprachigen Raum lamentieren viele gerne und beschweren sich über äußere Umstände, statt anzupacken. Somit ist man als derjenige, der sich einen Traum wie Weltreise / Selbstständigkeit / Jobwechsel erfüllt hat, fast ein Exot. Man wird angeschaut wie ein Meerschwein auf dem Mars, wenn man sagt, dass man sich einen großen Traum nun erfüllen wird. Das kann unbehaglich sein, weil wir Menschen ja soziale Wesen sind und Anerkennung anderer wünschen.
> absolventen.at: Wie kann ich meinen inneren Schweinehund überwinden?
Martin Krengel: Den inneren Schweinehund beim Reisen würde ich mit chinesischer Kriegstechnik vertreiben: Einfach frech und fies die eigenen Schiffe verbrennen, sobald die Flotte am Ufer gelandet ist. Dann gibt es kein Zurück!!! Ich habe den Trick selbst angewandt, als ich los bin: Ich habe mein Auto verkauft, meine Wohnung fix vermietet und ALLEN erzählt, dass ich losfahre! So musste ich mein Gesicht wahren. Es gibt noch ein paar weitere Loslass-Tricks, die ich gleich zu Beginn des Buches beschreibe…
> absolventen.at: Schadet oder nutzt ein längerer Auslandsaufenthalt meiner Karriere?
Martin Krengel: In meiner Erfahrung würde ich in jedem Fall einen Auslandsaufenthalt als Karrierebooster sehen, denn der Mehrwert steigert sich. Man lernt eine Sprache, man ist flexibler und man hat mehr Persönlichkeit entwickelt. Ich habe ganz viele Bewerbungsgespräche gehabt, für Stipendien, für Praktika und für Jobs: Dafür waren Studium und Praktika wichtig, klar. Aber dann, im Bewerbungsgespräch selbst, war mein Extra-Curriculäres-Selbst immer spannender: „Aha, Sie sind Kunstturner …“ – „Ach Sie waren auch schon mal in Neuseeland …“; „Welche Erfahrungen haben Sie denn bei Ihrem Zeichenkurs in Florenz gemacht…?“ Fazit: Auf, auf ins Ausland! Das ist Spaß, Spannung und Karriere-Boost! Wer wissen will, wie toll sich das anfühlt und welche kuriosen Abenteuer Du erleben könntest, für den hätte ich da einen Literaturtipp … 😉
> absolventen.at: Wie plane ich eine längere Auszeit? Welche Dinge muss ich vorab unbedingt organisieren?
Martin Krengel: Zum Planen einer Weltreise bzw. eines Backpacking-Trips habe ich hier einen Blogartikel mit vielen Infos und Tipps geschrieben: http://www.martinkrengel.com/reisen/ weltreise/weltreise-planen-backpacking-bloginfos- zu-route-laender-ticket-fuer-backpackerglobetrotter- und-weltreisen/
> absolventen.at: Selbst in den abgelegensten Gegenden hat man einen Internetzugang. Wie soll ich mich da entspannen können? Oder kann ich online sein und trotzdem abschalten?
Martin Krengel: Ja, wenn man Arbeits-, Reise- und Urlaubsphasen gedanklich und organisatorisch trennt! Ich fand es gut, den Laptop dabei zu haben, denn viele Dinge wie Flugrecherchen, Planung etc. kann man mit dem Laptop sehr gut machen und das erleichtert das Reisen ungemein. Ich würde dann aber auch Urlaubsphasen einsetzen, wo man den Rechner im Hostel verstaut. Das klappt immer sehr gut und ist auch relativ sicher. Dann kann man einfach mal zwei Wochen nur durch ein Land reisen und danach zur Basisstation zurückkommen. Kurzum: Reisen, Arbeiten und Urlaub lassen sich kombinieren!
> absolventen.at: ze.tt veröffentlichte im Mai einen Post mit dem Titel: „7 Gründe, warum Backpacker*innen nerven“. Die Kritik: Vieles, was AussteigerInnen nach ihrer Reise erzählen, sei mehr Klischee als tatsächliche Auseinandersetzung mit der Kultur. Warum gehen die Geschichten in Deinem Buch über die üblichen Klischees hinaus? Und stimmt es tatsächlich, dass auf längeren Reisen immer irgendwann jemand Wonderwall von Oasis spielt?
Martin Krengel: Wonderwall von Oasis hab ich zum Glück nicht gehört in 375 Tagen Weltreise. Aber ja, viele BackpackerInnen gerade in Australien oder Neuseeland sitzen am Strand, trinken australisches Bier und diskutieren mit deutschsprachigen BackpackerInnen, welche Abenteuer sie am fremden Strand erlebt haben. Das ist ok, wenn man 19 ist, das will ich gar nicht kritisieren aber, wenn man wirklich die Welt sehen und etwas erleben möchte, dann würde ich mir eher ein Reiseziel setzen. Ich hab es auch so gemacht. Mein Ziel war es, kein Ziel zu haben und das als Zeitmanagement-Experte. Ich habe 10 Jahre Effizienz und Planung gelehrt und jetzt habe ich mal komplett alles spontan gemacht, wie z.B. Flüge die Nacht vorher gebucht, und alles offengelassen. Ich habe das als Persönlichkeitsentwicklungs-Experiment genommen, um mit verschiedenen Lebens- und Arbeitsformen zu experimentieren. Genau das zieht sich auch durch das Buch, nämlich das Spiel mit dem Selbst, diese Herausforderung und das Experimentieren mit dem Sein. In meinem Buch bin ich außerdem komplett aufrichtig und berichte authentisch und ehrlich von meinen Höhen, Tiefen und Lerneffekten. Ich nehme den Leser mit auf meine Reise und zeige ihm 20 Länder auf 350 Seiten und mit über 300 Bildern.
> absolventen.at: Was möchtest Du allen unentschlossenen zukünftigen BackpackerInnen mit auf den Weg geben?
Martin Krengel: Traue Deinen Träumen! (und lies „Stoppt die Welt“ 😉 )
Buch-Tipp:
» Martin Krengel „Stoppt die Welt, ich will aussteigen! Kuriose Abenteuer einer Weltreise (Arschtritt inklusive!)“ Wie fühlt es sich an, in China, Australien oder New York zu arbeiten? Wie wäre es, wirklich in der Südsee zu leben? Krengel beschreibt in dem Buch vor allem das mentale Spiel mit den vielen Möglichkeiten, die Dir als JobeinsteigerIn und AufsteigerIn zur Verfügung stehen. Und er entwickelt am Ende einen ganz praktischen Tipp, um gleich mehrere Lebensträume auf einmal zu verwirklichen! Dr. Martin Krengel war auf Karriere-Turbo. Er studierte gleich zweimal mit Prädikat „Auszeichnung“ schrieb mehrere Ratgeber-Bestseller und beendete brav seine Promotion. Dann war er weg. In einem Mix aus Megametropolen und entlegensten Orten fand er eine wundervolle, kontrastreiche und kuriose Welt, die er in seinem Reisebuch „Stoppt die Welt!“ wachrüttelnd und spitzfindig beschreibt.
Quellen:
Bild 1: © Nasa – Unsplash.com
Bild 2: © Dr. Martin Krengel